Die 10 Dinge, die Sie über achtsames essen wissen sollten.

6. März 2015   —   Otto Pichlhöfer

Das Essen ist eine große Sache. Nach unserer Geburt mussten wir den ersten Atemzug tun, um in dieser Welt bleiben zu können. Das nächste aber war, Nahrung zu uns zu nehmen; flüssig zuerst als Muttermilch, dann auch feste Nahrung in unterschiedlicher Zusammensetzung. Was und wie wir jetzt sind, hat zu einem guten Teil mit der Aufnahme der Nahrung zu tun: was wir essen, wie wir essen, welche Mengen wir essen und in welchen zeitlichen Abständen. All das ist uns zur zweiten Natur geworden, ohne dass wir weiter darüber nachdenken zu müssen. So kommt es, dass wir uns mit einem Bissen im Mund finden, ohne uns bewusst gemacht zu haben, wie denn dorthin gekommen ist. Wir sehen Menschen in der U-bahn, die eine Pizzaschnitte verschlingen, während sie tief in Gedanken verloren sind und auch ihre Umwelt nicht wahrnehmen. Es kann sein, dass wir zum Essen greifen, weil wir uns ärgern, fürchten oder weil wir einfach Stress haben. Manchen treibt die Schlaflosigkeit zum Kühlschrank. Der Genuss verführt uns oft und lenkt uns von unserem einfachen Dasein ab.

All diese Beispiele haben eines gemeinsam. Wir sind in Gedanken verloren aber nicht mit unseren Sinnen gegenwärtig. Beim Achtsamkeitstraining gibt es eine einfache Übung, das Essen einer Rosine. Man nimmt sich Zeit, kommt im eigenen Körper an. Man spürt die Rosine, die man in den Fingern hält; drückt sie, fühlt ihr Gewicht, dreht sie in alle Richtungen; man betrachtet sie nach Farbe, Struktur, Lichtreflexen; achtet auf Geräusche, die durch das Drücken entstehen; bringt sie näher ans Gesicht, zur Nase, riecht den zarten Duft, berührt die Lippen mit der runzeligen Oberfläche, dann die Zunge, hält sie mit den Zähnen, während der Speichel den ersten Geschmack von ihr löst, spürt sie na verschiedenen Stellen des Mundes, unter der Zunge, an den Wangen, beginnt vorsichtig zu beißen, zunächst, dann heftiger, und die Übung endet dann mit dem Verzehren der kleinen, trockenen Frucht. Viele Menschen sind erstaunt, über die Fülle der Sinneseindrücke, die von einer einfachen Rosine hervorgerufen werden können. Um wie viel reichhaltige ist dann erst das Einnehmen einer ganzen Mahlzeit. Dennoch sind wir uns dessen oft nicht bewusst und leben abgelenkt von Tagträumen, Selbstbeschuldigungen und Ablenkungen.

Achtasmakeit wurde folgendermaßen definiert:„auf eine bestimmte Weise gewahr zu sein: absichtsvoll, im gegenwärtigen Augenblick, und nicht-bewertend.”1

Mit “absichtsvoll” ist nicht gemeint, dass wir großartige Pläne brauchen, die mit dem Essen zusammenhängen. “Ich esse jetzt so und so damit ich dann xxx” – bitte setzen Sie ihre eigenen Pläne ein. Wirklich gemeint ist, dass wir uns ganz den Sinneseindrücken zuwenden können. Wir brauchen sonst nichts im Moment des Tuns. Es wird nicht langweilig, wenn wir einfach mit den Sinneseindrücken da sind, ohne weiteres, ohne zusätzliche gedankliche Ausschmückung. Mit “gegenwärtiger Augenblick” ist gemeint, dass wir uns nicht erinnern müssen, wie das Essen schmecken sollte oder eine vorgefasste Meinung darüber zu haben. Es gibt ein berühmtes Zitat eines alten Zen Meisters: „Wenn ich esse, dann esse ich und wenn ich schlafe, dann schlafe ich.” Sorgen und Hoffnungen reduziert, auf das notwendige – ansonsten in der Gegenwart lebend. Die dritte Eigenschaft der Achtsamkeit ist “nicht-bewertend”. Im Moment des Essens spielt es keine Rolle, ob wir ein Schnitzel essen oder einen Diätriegel. Jede Erfahrung steht für sich, einmalig und unmittelbar. Das Planen sollte vor der Mahlzeit geschehen, direkt beim Essen können wir einfach sein.

Versuchen sie es vielleicht bei der nächsten Mahlzeit:

  1. Nehmen Sie sich Zeit.
  2. Finden Sie einen Ort, an dem Sie für die Dauer der Mahlzeit nicht gestört werden.
  3. Bereiten Sie alles für die Mahlzeit vor.
  4. Setzen sie sich hin und nehmen sie zunächst einfach die Empfindungen des Körpers wahr.
  5. Geben Sie jedem dieser Schritte Raum.
  6. Beginnen Sie die Mahlzeit, indem Sie auf alle Sinne Achten. Den Tastsinn, beim Berühren der Nahrung. Dem Geruchssinn und dem Geschmackssinn.
  7. Spüren Sie auch, wie sich das ganze Körpergefühl verändert: Das Hunger- bzw. Sättigungsgefühl. Die Wachheit der Sinne, usw.
  8. Überprüfen Sie, ob Sie am Ende der Mahlzeit satt sind – vielleicht waren sie das ja schon früher.
  9. Fühlen Sie Dankbarkeit, für all die Menschen und Lebewesen, die im weitesten daran beteiligt waren, dass sie diese Mahlzeit einnehmen konnten.
  10. Entwickeln Sie den Wunsch, die Achtsamkeit, die sie erlebt haben, weiter zu entwickeln und wünschen Sie auch anderen, eine gesunde Lebensweise zu entwickeln.

Achtsamkeit ist eine Haltung und eine Fähigkeit, die sich entwickeln kann und die auch verkümmert, wenn man sich ihr nicht zuwendet. Achtsamkeitsübungen gibt es viele, aber eine der wirksamsten und auch am leichtesten zugänglichen ist die Achtsamkeit beim Essen. Und nicht zuletzt zeigt sich auch in wissenschaftlichen Studien, dass Achtsamkeit beim Abnehmen hilft und einer späteren Gewichtszunahme vorbeugt.2

Footnotes:

1 Kabat-Zinn, J. (2008), *Zur Besinnung kommen: Die Weisheit der Sinne und der Sinn der Achtsamkeit in einer aus den Fugen geratenen Welt*, Arbor.
2 Fikkan, J., Hawkins, T., Baime, M., Sanders, L., Greeson, J., Webb, J., … Wolever, R. (2010, August). *Mindfulness in the maintenance of weight loss: A randomized controlled trial of the EMPOWER program.* Paper presented at the 11th International Congress of Behavioral Medicine, Washington, D.C.